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St.-Ursula-Heim OffenburgLETZTER HALTWie Wohnungslose um ein neues Leben kämpfen
St.-Ursula-Heim
Das Heim
Im Foyer und in den Fluren riecht es nach Putzmittel. Aus dem Keller dringt der Duft frischer Wäsche. Welch ein Kontrast zum elenden Leben auf der Straße, das die Bewohner hinter sich haben. Pritschen stehen auf den Gängen für diejenigen, die nachts um Aufnahme gebeten haben.
Im Speiseraum sitzen die Bewohner um die Holztische, manche in Gruppen, einige allein. Viele kauen mit gesenktem Kopf, blicken auf den Teller, bleiben stumm.
Porträts
PorträtRobert: Der Kämpfer
Geboren wurde er in Ingolstadt. „Meine Mutter hat gesoffen und mich verprügelt. Sie war völlig unberechenbar“, erzählt er.
Dennoch schien sich sein Leben einzurenken. Er machte eine Metzgerlehre, arbeitete im Straßenbau.
Der Absturz kam im Jahr 2009. Das Unternehmen, für das Robert arbeitete, ging in Konkurs. Der damals 52-Jährige verlor fast über Nacht seinen Job, die Firmenwohnung, das Fahrzeug. Er war Alkoholiker - und stand allein auf der Straße.
Robert entschloss sich zur Flucht: Ein Jahr tourte er durch Frankreich, entlang der Loire, als Obdachloser.
Zurück in Deutschland versuchte er, in der Ortenau Fuß zu fassen. »Doch ohne Wohnung bekam ich keinen festen Arbeitsvertrag und ohne Arbeitsvertrag keine Wohnung.« Robert blieb obdachlos - und wurde krank.
PorträtPetra: "Jahrelang durchgesoffen"
Petra ist 50 Jahre alt. Seit fünf Jahren lebt sie im St.-Ursula-Heim, erzählt sie. "Ich komme ursprünglich aus Thüringen und bin nach der Wende in den Westen, eine Zeit lang nach Frankfurt." Mit 14 habe sie angefangen zu trinken. Mit der Zeit sei es immer mehr geworden. Ein Leben im Vollrausch. Jahrzehntelang.
Petra litt auf der Straße. Und liebte auf der Straße. "Ich habe einen Mann kennengelernt. Er war seit seinem 14. Lebensjahr obdachlos." Zusammen lebten sie auf der Straße. Er sei mit 51 gestorben.
PorträtGünter Melle: Der Pfleger
Der 69-Jährige leitet die Pflasterstube des St.-Ursula-Heims. In ihr erhalten Menschen medizinische Hilfe, die von Ärzten und Krankenhäusern abgewiesen werden, weil sie sich keine Pflege leisten können. "Zu mir kommen die Bewohner des Heims, aber auch osteuropäische Saisonarbeiter oder Hartz-IV-Empfänger", erzählt er. Getragen wird die Pflasterstube von einem Förderverein.
Interview mit der Heimleiterin
Leiterin des St.-Ursula-HeimsInterview mit Eva Christoph
Es ist sechs Uhr morgens. Seit vier ist Christoph auf den Beinen, doch von Müdigkeit ist bei ihr nichts zu sehen. Dabei trägt sie die Verantwortung für die neun Sozialarbeiter, die Beschäftigten in der Küche, der Verwaltung und der Pflasterstube. Und für die Bewohner des Heims.
Sehen sie im Video-Interview, wie Eva Christoph mit diesem Druck umgeht, was sie über den Alltag und die Menschen im St.-Ursula-Heim berichtet - und was sie sich von Politik und Gesellschaft wünscht.
Letzter Halt?
Andere Bewohner scheitern. Das St.-Ursula-Heim ist dann der endgültige Halt in einem hoffnungslos aus den Fugen geratenen Leben. So wohl für die 50-jährige Petra.
In der Offenburger Einrichtung kreuzen sich Lebenswege, wenden sich Schicksale. Manche Bewohner gewinnen. Andere verlieren. Aber alle kämpfen - auf ihre Weise.