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Kilometer 707

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Kilometer 707

Es ist der 18. November 2012. Dichter Nebel zieht über die Autobahn bei Friesenheim. Gegen sechs Uhr geschieht das Unfassbare: Ein Falschfahrer stößt mit einem Minivan zusammen. Zwei weitere Fahrzeuge rasen in die Unfallstelle. Sechs Menschen sterben.

In dieser Multimedia-Dokumentation hat die Online-Redaktion das Geschehen in jener Nacht rekonstruiert und geht der Frage nach, welche Lehren daraus gezogen wurden.

Eine Dokumentation von Christian Schellenberger

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Die A 5 ist einer der wichtigsten Verkehrsachsen von der Mitte Deutschlands in den Süden zur Schweizer Grenze. Sie gehört zu den bedeutendsten Nord-Süd-Autobahnverbindungen Europas, ihre Verlängerungen führen bis nach Oslo und Stockholm im Norden beziehungsweise Sizilien im Süden. Zwischen 65.000 und 75.000 Fahrzeuge sind auf der A 5 in der Ortenau unterwegs - täglich. Statistisch gesehen kracht es dabei ungefähr einmal pro Tag.

Unfälle mit Falschfahrern sind dagegen vergleichsweise selten. Bundesweit kommt es einer Untersuchung der Bundesanstalt für Straßenwesen zufolge jährlich zu rund 80 Unfällen mit Falschfahrern in ganz Deutschland.
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Es ist der 17. November 2012. Ein Samstag, gegen 22 Uhr. David E. (Name geändert) feiert mit seinen Freunden in Offenburg. Später am Abend geht es noch nach Freiburg. Dafür haben die Freunde ihre Autos am Offenburger Pendlerparkplatz zurück gelassen. Die Stimmung muss ausgelassen sein. Noch ahnt niemand aus der Fünfer-Clicque, dass der 20 Jahre alte David wenige Stunden später nicht mehr am Leben sein wird - und fünf weitere Menschen mit in den Tod reißt.
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18. November 2012

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An diesem nebligen Novembermorgen erreicht die Clique gegen halb sechs wieder den Pendlerparkplatz am Offenburger Ei. Die Freunde verabschieden sich, ein langer Partyabend geht zu Ende.

Um 5.35 Uhr steuert David E. seinen weißen BMW vom Pendlerparkplatz, um nach Hause zu fahren. Es ist stockfinster, die Beleuchtung wird von dichten Nebelschwaden verschluckt.

"Spätestens um 5.40 Uhr nimmt das Drama seinen Lauf", erklärt Günther Preis, Leiter der Verkehrspolizei in Offenburg. Hinter ihm an der weißen Wand flimmert die Projektion eines Beamers, während er spricht. Drei Jahre später ist der schwere Unfall zu einem Schulungsfall für andere Polizisten geworden. 

Um 5.40 Uhr also bemerken die Freunde, die am Parkplatz zurückbleiben, dass David E. falsch abgebogen ist. Statt die Landstraße in Richtung Kehl zu nehmen, ist er auf die Autobahn in Richtung Basel aufgefahren.

"Nach wenigen Minuten bemerken die Freunde den Fehler. 65 Sekunden lang telefonieren sie nun mit dem Fahrer", sagt Preis. Doch vor der Ausfahrt Lahr kann David E. die Autobahn nicht verlassen.

Draußen fliegen die Lichter von Hohberg, Oberschopfheim und Friesenheim vorbei. David E. steuert seinen weißen BMW durch die Nacht weiter in Richtung Süden.

 






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Nach rund 15 Kilometern fährt David E. auf den Parkplatz an Autobahnkilometer 713, kurz vor der Ausfahrt Lahr. Noch immer verschwimmen in dieser nebligen Nacht die Lichter. Der Alkohol im Blut - 1,9 Promille werden die Rechtsmediziner später feststellen - führt dazu, dass der 20-Jährige die Orientierung verliert. Er entschließt sich zu dem verhängnisvollen Wendemanöver.

"Wir gehen davon aus, dass David E. den Parkplatz mit der Anschlussstelle Lahr verwechselt hat", berichtet Preis über die Ermittlungsergebnisse. "Er ist daraufhin auf der Südfahrbahn in Richtung Norden gefahren."

Wenige Augenblicke später gehen im Führungs- und Lagezentrum der Polizei in Offenburg die ersten Notrufe ein. Während David E. seine tödliche Fahrt unbeirrt fortsetzt, lotsen die Beamten in Offenburg die Streifenwagen zur Autobahn.

Um 5.58 Uhr unterbrechen die Radiosender ihr laufendes Programm mit einer Falschfahrer-Meldung: "Fahren Sie äußerst rechts und überholen Sie nicht", der übliche Hinweis in solchen Fällen, ist in den Autoradios zu hören.

"Insgesamt vier Notrufe gingen im Führungs- und Lagezentrum ein", schildert der erfahrene Polizist Günther Preis die Ereignisse der Nacht weiter. 




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Im Morgengrauen wird das ganze Ausmaß des Unfalls sichtbar.
Im Morgengrauen wird das ganze Ausmaß des Unfalls sichtbar.
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Die Meldungen im Verkehrswarndienst der Polizei können die Katastrophe nicht mehr verhindern. Im letzten der vier Anrufe ist ein lautes Krachen zu hören. Um 6 Uhr erreicht die Polizei der erste Notruf, es habe einen Unfall gegeben. Der weiße BMW von David E. ist mit dem Minivan, in dem fünf Menschen sitzen, frontal zusammengestoßen.

"Um 6.02 Uhr näherte sich dann ein Hyundai und erfasste die Ersthelferin." Preis deutet auf eine Zeichnung des Unfallortes, die der Beamer an die Wand wirft.

Die Ersthelferin überlebt mit schweren Verletzungen. Augenblicke später rast ein dunkler BMW in die Unfallstelle, kann aber nach links ausweichen. Dessen Fahrer kommt weitgehend mit dem Schrecken davon.

Aber sechs Menschen sind tot.




Im Morgengrauen wird das ganze Ausmaß des Unfalls sichtbar.
Im Morgengrauen wird das ganze Ausmaß des Unfalls sichtbar.
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Der Einsatz

Nach dem Unfall herrscht auf der A 5 Ausnahmezustand. 
100 Helfer von Polizei, Feuerwehr, DRK und Technischem Hilfswerk werden zu Kilometer 707 gerufen. Sie kämpfen um das Leben der Beteiligten. Bis zur Erschöpfung. 
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Günther Preis, Leiter der Verkehrspolizei, ist nach wenigen Minuten am Unfallort.
Günther Preis, Leiter der Verkehrspolizei, ist nach wenigen Minuten am Unfallort.
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Um 6.10 Uhr wird Günther Preis von einem Anruf aus dem Führungs- und Lagezentrum der Polizei aus dem Schlaf gerissen. Es gibt einen schweren Geisterfahrerunfall mit sechs bis zehn Toten, erfährt er am Hörer seines Telefons, das neben seinem Bett steht.

Im jahrelangen Polizeidienst hat Preis gelernt, "professionelle Distanz" zu den schrecklichen Momenten seines Berufs zu halten. Noch weiß er nicht, was ihn erwartet, aber er muss funktionieren. Er muss eine wahrscheinlich schwierige Aufgabe bewältigen.

Etwas kaltes Wasser ins Gesicht - das muss an diesem Sonntagmorgen reichen, um wach zu werden. Von seinem Haus in Ortenberg ist er in wenigen Minuten auf der Dienststelle. Von dort sind es dann noch wenige Kilometer auf der Autobahn. Sirenengeheul zerschneidet die nächtliche Stille.

Auch Wolfgang Schreiber von der Offenburger Feuerwehr sitzt zu diesem Zeitpunkt schon ein seinem Einsatzwagen. Er ist an diesem Wochenende in Alarmbereitschaft, als ihn kurz nach 6 Uhr die Meldung erreicht: "Unfall auf der A5 mit eingeklemmten Personen."



Günther Preis, Leiter der Verkehrspolizei, ist nach wenigen Minuten am Unfallort.
Günther Preis, Leiter der Verkehrspolizei, ist nach wenigen Minuten am Unfallort.
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Feuerwehrmann Wolfgang Schreiber war einer der Ersten am Unfallort.
Feuerwehrmann Wolfgang Schreiber war einer der Ersten am Unfallort.
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Das Ausmaß der Tragödie ist allerdings noch unklar.

"Erst auf der Anfahrt hat sich dann nach und nach herausgestellt, welche Dimension dieser Einsatz haben wird", blickt Schreiber zurück.

Schreiber ist an diesem Morgen einer der ersten an der Unfallstelle. Er trifft alle wichtigen Entscheidungen, alarmiert weitere Kollegen zur Unfallstelle. Die Hoffnung, im BMW und im Minivan könnte jemand überlebt haben, schwindet aber mit jeder Minute, die vergeht.

Wenige Augenblicke später ist auch Günther Preis bei Kilometer 707 eingetroffen. Der 50-Jährige muss sich schnell einen Überblick verschaffen. Zwischen Unfallstelle, Führungs- und Lagezentrum der Polizei und der Leitstelle des Rettungsdienstes werden unentwegt Absprachen über Funk getroffen.

Zeit, im Angesicht des unfassbaren Leids Emotionen zuzulassen, bleibt nicht. "Man funktioniert in solchen Situtationen einfach und spult das ab, was man gelernt hat", erinnert sich Feuerwehrmann Wolfgang Schreiber drei Jahre später. Auch Günther Prieis sagt: "Wer in irgendeiner Form persönlich betroffen ist, wenn beispielsweise Angehörige oder Freunde am Unfall beteiligt sind - der ist sofort raus."

Auf der Autobahn herrscht an diesem Morgen wenig Verkehr. Verkehrspolizeichef Preis lässt die Fahrbahnen in beide Richtungen sperren - denn noch ist nicht absehbar, ob für die Bergung schweres Gerät gebraucht wird. Auch die Brücke, die an Kilometer 707 über die A 5 führt, lässt er absperren. Schaulustige sollen keine Chance haben, sich an dem Schrecken zu ergötzen.

Die Rettungsarbeiten sind angelaufen. Die lebensgefährlich verletzte Ersthelferin und ein Leichtverletzter müssen versorgt werden. Laufend kommen neue Einsatzfahrzeuge von Polizei, DRK und THW zur Unfallstelle. Für Preis und Schreiber bleibt keine Zeit, kurz durchzuschnaufen.
Feuerwehrmann Wolfgang Schreiber war einer der Ersten am Unfallort.
Feuerwehrmann Wolfgang Schreiber war einer der Ersten am Unfallort.
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Die Unfallstelle wird ganz genau unter die Lupe genommen, um zu rekonstruieren, was auf der Autobahn passiert ist.
Die Unfallstelle wird ganz genau unter die Lupe genommen, um zu rekonstruieren, was auf der Autobahn passiert ist.
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Mittlerweile sind die ersten Reporter an der der Unfallstelle eingetroffen, um über das Unglück zu berichten. Zusammen mit seinen Kollegen von der Pressestelle lässt Günther Preis Sammelpunkte für die Journalisten einrichten. Nach und nach erreichen immer mehr Kamerateams und Radiosender A 5-Kilometer 707.

Bildredakteur Ulrich Marx war einer der ersten Journalisten vor Ort. Aus der nötigen Distanz hat er die Rettungsarbeiten dokumentiert. Seine Bilder haben wir auch in dieser Dokumentation verwendet. Drei Jahre später blickt er zurück: "Vor Ort herrschte eine bedrückende Atmosphäre."

Etwa drei Stunden nach dem ersten Alarm werden Feuerwehrmann Wolfgang Schreiber und seine Kameraden zurück zur Wache beordert. Der Autobahnabschnitt ist jetzt kein Unfallort mehr, sondern Tatort. Die Polizei übernimmt die Einsatzleitung.

"Auf der Wache mussten wir uns für die Bergungsarbeiten bereithalten," erzählt Schreiber heute. Es ist auch ein Moment, sich auf die Konfrontation mit dem Schrecken psychisch vorzubereiten.

Für die Ermittler vor Ort geht es nun darum, nachzuvollziehen, was sich an jenem Sonntagmorgen genau abgespielt hat. Ein Polizeihubschrauber, der die Unfallstelle aus der Luft dokumentieren soll, kann wegen des Nebels erst um 13 Uhr mit der Arbeit beginnen. Der Unglücksort wird vermessen, das Trümmerfeld genau unter die Lupe genommen.

Nachdem feststeht, dass neben David E. im Wrack des Minivan der Fahrer und vier junge Menschen aus dem Raum Emmendingen ums Leben gekommen sind, beginnt für die Beamten der wohl schwierigste Teil ihrer Arbeit. Sie müssen den Angehörigen den Tod ihrer Kinder, ihrer Lebenspartner mitteilen.   

Die Unfallstelle wird ganz genau unter die Lupe genommen, um zu rekonstruieren, was auf der Autobahn passiert ist.
Die Unfallstelle wird ganz genau unter die Lupe genommen, um zu rekonstruieren, was auf der Autobahn passiert ist.
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Die Wochen danach

Wie konnte es zu dem Unfall kommen? Was hat David E. in den Stunden vor seiner Geisterfahrt gemacht? War er alkoholisiert oder unter Drogeneinfluss? Nach dem Unfall sind für die Polizei und Staatsanwaltschaft noch viele Fragen offen.

Beim Offenburger Polizeipräsidium wird eine Ermittlungsgruppe mit acht Beamten gegründet. "Ermittlungsgruppe 707" - wie der Autobahnkilometer, an dem es zum folgenschweren Unfall kam.

Die Ermittler nehmen alles ganz genau unter die Lupe. Sie müssen auch klären, ob einige der Opfer vielleicht erst beim zweiten Zusammenstoß ums Leben gekommen sind. Für die Angehörigen, die ihre Liebsten verloren haben, mögen derartige Details keine Rolle spielen. Für die Polizisten aber ist es ihr Job.
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Herwig Schäfer, Leitender Oberstaatsanwalt, erklärt vor den Mikrofonen der Reporter die Erkenntnisse der Ermittler.
Herwig Schäfer, Leitender Oberstaatsanwalt, erklärt vor den Mikrofonen der Reporter die Erkenntnisse der Ermittler.
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Die Polizisten befragen Angehörige, Freunde und unmittelbare Zeugen des Unfalls. Keine leichte Aufgabe für die Ermittler.

"Wir haben damals bis nach Rheinland-Pfalz Zeugen befragt", erinnert sich Günther Preis heute. 

Die Ermittlungsgruppe versucht, den Ablauf des Unfalls und den Abend zuvor minutiös nachzuvollziehen. Handy-Gesprächsprotokolle werden ausgewertet, die Spuren am Unfallort analysiert.

Nach den rechtsmedizinischen Untersuchungen in Freiburg steht vier Tage nach der Tragödie fest: David E. hatte rund 1,9 Promille Alkohol im Blut, als er mit seinem BMW die verhängnisvolle Irrfahrt aufnahm.

"Gegen die beiden Fahrzeugführer, die nach der ersten Kollision in die Unfallstelle gefahren sind, wurden ebenfalls Verfahren eingeleitet." Preis deutet auf die Beamer-Projektion. "Die Frage war: Hätten diese Folgeunfälle verhindert werden können, wenn sich die Fahrer korrekt verhalten hätten?", erläutert der Polizeioberrat die Ermittlungen. "Beide Verfahren wurden schließlich eingestellt."

Nach fast einem Jahr werden die Ermittlungsakten geschlossen. Der Horrorunfall vom 18. November 2012, der sechs Menschen das Leben kostete, ist juristisch abgeschlossen. Bei Angehörigen und Helfern aber verblasst die Erinnerung kaum.
Herwig Schäfer, Leitender Oberstaatsanwalt, erklärt vor den Mikrofonen der Reporter die Erkenntnisse der Ermittler.
Herwig Schäfer, Leitender Oberstaatsanwalt, erklärt vor den Mikrofonen der Reporter die Erkenntnisse der Ermittler.
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Der Unfall trifft nicht nur Freunde und Angehörige der Opfer, auch den Helfern brennen sich die schrecklichen Bilder von den zetrümmerten Autos ins Gedächnis.

Doch wie kann man damit umgehen? Auch Monate später beschäftigt das schlimme Ereignis noch Feuerwehrleute, Polizisten und Notfallseelsorger. "Retter noch immer belastet", schreibt die Mittelbadische Presse am 28. Dezember 2012.
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Den schlimmen Unfall verarbeiten

Feuerwehrmann Wolfgang Schreiber über den Umgang mit dem tragischen Ereignis kurz nach dem Unfall.

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Schon während des Einsatzes ist den unzähligen Helfern vor Ort klar, dass ein sehr schweres Unglück passiert ist. 

"Unser Kommandant hat das ganz deutlich gesagt, als wir uns auf der Wache für die Bergung der Toten bereitgehalten haben", erinnert sich Wolfgang Schreiber. Für den Feuerwehrmann ist es eines der schlimmsten Ereignisse, die er in seinem Beruf miterleben musste. 

Viele Einsatzkräfte haben Fragen, das Unglück ist Gesprächsthema. Im Dezember 2012, als die Polizei das Geschehen vom 18. November rekonstruiert hat, gibt es einen internen Infoabend auf der Feuerwache. Günther Preis kann viele Zweifel ausräumen, liefert Antworten.

Die Helfer können endlich einen Schlussstrich ziehen.

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Übertragungswagen der großen TV-Sender säumen die Straße vor dem Polizeirevier am Offenburger Flugplatz. In Dreierreihen haben sich die Reporter vor Günther Preis aufgebaut, die Lampen der Kameras tauchen sein Gesicht in helles Licht.

"Es ist erstaunlich, wie schnell auch die überregionalen Medien vor Ort waren", erinnert sich Preis heute.

Vor den Kameras und Mikrofonen muss der Polizist erklären, was so unerklärlich ist. Wie konnte es zu diesem schlimmen Unfall kommen? Geduldig erklärt Preis immer wieder den aktuellen Stand der Ermittlungen: "Bislang können wir einen Suizid ausschließen."

Gerade erst war Offenburg in den Fokus der überregionalen und internationalen Medien gerückt. Am Freitag, zwei Tage vor dem verheerenden Geisterfahrer-Unfall, wurde das entführte französische Mädchen Chloé nahe Oppenau aus einem Kofferraum gerettet. Eine Wochen zuvor war die 15-Jährige aus einem Dorf in Südfrankreich verschwunden - eine groß angelegte Suchaktion folgte. Und nun, wenige Tage später, sind die Kameras wieder auf die Offenburger Polizei gerichtet.

Auch die Mittelbadische Presse berichtet in den Tagen nach dem Unfall auf mehreren Seiten über die Katastrophe. "Horrorunfall im Morgennebel" lautet die Überschrift einer Sonderseite am folgenden Montag.

Insgesamt sei die Zusammenarbeit mit der Presse reibungslos verlaufen, sagt Polizeioberrat Preis rückblickend. Es habe aber auch den ein oder anderen Reporter gegeben, mit dem er schlechte Erfahrungen gemacht habe.

"Sechs Tote, verstreute Leichenteile", "Der unheimliche Geisterfahrer - Er hat fünf Menschen auf dem Gewissen":
Auch solche Schlagzeilen sind in den Tagen nach dem Unfall in den Zeitungen zu finden. Eine Boulvardzeitung veröffentlicht sogar ein Bild von David E.
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Lehren aus der Katastrophe

"Der Unfall von Offenburg war ein Weckruf", läss sich baden-württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann Monate nach dem Horror-Unfall auf der A 5 zitieren.

Die grün-rote Landesregierung reagiert schnell. Am 20. November, zwei Tage nach dem Unglück, liegen dem Verkehrsministerium die ersten Vorschläge vor. Die Beschilderung an den Autobahnauffahrten im ganzen Land wird akribisch unter die Lupe genommen, deutliche, weiße Richtungspfeile auf dem Asphalt aufgebracht.

Im Juni 2013 erhalten die Anschlussstellen Achern-Ost und Bühl auf Initiative des privaten Autobahnbetreibers Via Solutions außerdem große, neongelbe Warntafeln (Foto).
    
Ein Testlauf, wie Minister Winfried Hermann damals erklärt. Denn noch sind die aus Österreich stammenden Tafeln nicht genehmigt. Doch können diese Mittel Falschfahrer-Unfälle wirklich verhindern?
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Pfeile an Auf- und Abfahrten sowie Parkplätzen sollen die Orientierung verbessern und Geisterfahrten verhinden.
Pfeile an Auf- und Abfahrten sowie Parkplätzen sollen die Orientierung verbessern und Geisterfahrten verhinden.
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"Belastbare Zahlen, ob damit wirklich Falschfahrten verhindert werden können, sind kaum zu ermitteln" , heißt es aus dem Ministerium. Ohnehin kann das Land in dieser Frage wenig tun. Die Autobahnen und ihre Beschilderung liegen in der Verantwortung des Bundesverkehrsministeriums in Berlin. Das heißt aber auch: Werden neue Techniken zum Schutz vor Falschfahrern eingeführt, müssten diese bundesweit umgesetzt werden.

An der A 9 bei München will das Bundesverkehrsministerium eine Teststrecke einrichten. Dort sollen unter anderem elektronische Mittel erprobt werden, um Geisterfahrten künftig besser verhindern zu können. Doch bis es Ergebnisse gibt, könnten noch Jahre vergehen.

Zurück in die Region. Den großformatigen Warntafeln an den Auffahrten in Achern und Bühl werden in absehbarer Zeit keine weiteren folgen. Das sei eine Initative des Autobahnbetreibers Via Solutions, den das Land nur dulde. Für einen flächendeckenden Einsatz müsste allerdings der Bundestag die Straßenverkehrsordnung ändern. So lautet das Fazit der Landesregierung: "Wir haben getan, was wir konnten - und mit den zusätzlichen Markierungen eine schnelle Möglichkeit gefunden."
Pfeile an Auf- und Abfahrten sowie Parkplätzen sollen die Orientierung verbessern und Geisterfahrten verhinden.
Pfeile an Auf- und Abfahrten sowie Parkplätzen sollen die Orientierung verbessern und Geisterfahrten verhinden.
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Die Gefahr bleibt

Sonntag, 23. November 2014: In Schlangenlinien steuert ein 24-jähriger seinen VW Golf über die A 5. Wie zwei Jahre zuvor herrscht dichter Nebel, der Fahrer ist betrunken. Er wendet kurz vor der Abfahrt Offenburg und fährt auf der falschen Fahrbahnseite in Richtung Süden. Minuten später ein Knall, der VW ist mit einem Ford Galaxy zusammengestoßen. Vier Menschen werden verletzt. Glück im Unglück: Ein zufällig vorbeikommender Rettungswagen sichert die Unfallstelle ab, verhindert so eine erneute Katastrophe.

Erst am 12. November 2015 gerät ein 71-Jähriger beinahe auf Falschfahrer-Kurs. An der Auffahrt Lahr wendet er erst in letzter Minute.

Eine 47-jährige Frau aus der Schweiz hat am 8. Mai 2014 weniger Glück. Sie kommt bei der Kollision mit einem 84-jährigen Falschfahrer auf der A 5 zwischen Achern und Bühl ums Leben (Foto). Nach Monaten im Koma stirbt auch der Verursacher.
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Begegnung mit einem Falschfahrer

Stephan Rotmann schildert die Begegnung mit einem Falschfahrer auf der A5 bei Malberg.

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70 Kilometer legt Stephan Rotmann beinahe täglich auf der A5 zurück. Quält sich durch Baustellen, durch Staus, an Unfällen vorbei. Der Freiburger pendelt regelmäßig zur Berufsschule in Lahr.

Stephan Rotmann hat in diesem Jahr riesiges Glück gehabt. Gleich zweimal. Zweimal ist dem 30-Jährigen ein Falschfahrer entgegen gekommen. Zweimal konnte er gerade noch ausweichen.

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Kurze Unachtsamkeit, schon ist es passiert

Stephan Rotmann erzählt, wie er beinahe selbst zum Falschfahrer geworden wäre.

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Wie leicht man selbst auf die falsche Spur geraten kann, hat Rotmann selbst schon erlebt. Nach dieser Erfahrung mahnt er: "Man sollte beim Autofahren immer aufmerksam sein und nicht einfach nur das tun, was der Vordermann auch macht."

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Wie man sich verhalten sollte, wenn im Radio die Meldung "Achtung, Falschfahrer" ertönt, bringt Günther Preis auf den Punkt:

"Auf der rechten Spur fahren und nicht überholen!"

Der ADAC hat darüber hinaus noch weitere Hinweise auf seiner Internetseite veröffentlicht. Der Automobilclub rät:
 
Verringern Sie Ihre Geschwindigkeit und fahren Sie im Verkehrsfluss weiter (bleiben Sie NICHT stehen, dadurch gefährden Sie die Fahrer hinter sich).
Halten Sie ausreichend Abstand zum Vordermann.

Wenn Sie sich unsicher fühlen, fahren Sie gegebenenfalls den nächsten Parkplatz an oder nutzen Sie die nächstgelegene Abfahrt.

Behalten Sie den Seitenstreifen im Auge, um notfalls auf diesen ausweichen zu können.

Hören Sie aufmerksam den Verkehrsfunk, um zu erfahren, wann die Gefahr vorüber ist.

Wer wie Stephan Rotmann irrtümlich zum Geisterfahrer wurde, sollte sich an diese Hinweise halten:

Sobald Sie bemerken, dass Sie auf der falschen Seite unterwegs sind, schalten Sie sofort Licht und Warnblinkanlage ein.

Fahren Sie umgehend an den nächstgelegenen Fahrbahnrand und stellen Sie Ihr Fahrzeug dicht neben der Schutzplanke ab.

Steigen Sie vorsichtig aus und stellen sich hinter die Leitplanke.

Rufen Sie die Polizei unter dem Notruf 110 an und warten Sie auf Hilfe.

Versuchen Sie NICHT zu wenden oder auf den gegenüberliegenden Standstreifen zu gelangen.
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Was bleibt, ist Erinnerung

November 2015. Der Nebel der vergangenen Tage hat sich gelichtet. Herbstlaub bedeckt den Boden, die Sonne gibt den Bäumen einen goldenen Glanz.

Ein einfaches Holzkreuz, gesäumt von Kerzen und Blumen erinnert, an die Tragödie.
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"Das Leben ist vergänglich": Die Erinnerung ist drei Jahre nach dem schweren Unfall lebendig.
"Das Leben ist vergänglich": Die Erinnerung ist drei Jahre nach dem schweren Unfall lebendig.
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Wie eine stille Mahnung erinnern die flackernden Grablichter an den Unfall drei Jahre zuvor. Es ist eine Mahnung an alle, die am Straßenverkehr teilnehmen. Damit sich eine solche Tragödie nicht wiederholt.

Die flackernden Grablichter zeugen auch davon, dass hier jemand regelmäßig vorbeikommt, um die Erinnerung wach zu halten.

Die Opfer von Kilometer 707 - sie sind nicht vergessen.
"Das Leben ist vergänglich": Die Erinnerung ist drei Jahre nach dem schweren Unfall lebendig.
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